trailer-ruhr.de

Ritter in den Städten

„Parsifal“ in Essen – Theater Ruhr 12/16
Der Wald, durch den die Ritter streiften, existiert nicht mehr. Die Welt auch nicht, irgendwo im Universum dreht sich aber scheu ein nebeliger Planet, der wohl einst bevölkert war. Ein Affe erklärt im Essener Grillo die Szenerie, bevor es losgeht. Und los geht es auf der Intensivstation einer Klinik, wo Parsifals Mutter Herzeloide langsam dahinsiecht, die den Jungen von allem fern gehalten hat von der düsteren Welt da draußen. Ein reiner Tor ist er, der nichts gelernt und keine Vorzüge hat, doch sein Hang zum Rittertum lässt ihn fliehen aus dem Seuchentrakt, in dem noch andere Recken wohl behandelt werden.

Gustav Rueb inszeniert im Essener Grillo die Wagnersche Geschichte um den Knaben als Sinnsuche im Dickicht der Städte. Bemerkenswert Eric Schaefers Musikregie. Ruebs Parsifal ist der junge Philipp Noak, auf dessen eindringlich kindliches Spiel in Sprache und Bewegung sich der Zuschauer erst einlassen muss, um ihn dann aber auch für die Disziplin der Kontinuität bis zum Ende zu bewundern. Ein Stück alte Kettwiger Straße scheint auf der Bühne auferstanden, ich habe das Gefühl, ich habe das Ladenlokal einst gekannt, jedenfalls findet Parsifal hier den Roten Ritter, den er tötet um seiner Rüstung willen, er tötet, er mordet ohne Gewissen, ein Weltenzerstörer, der seinen Sinn als Ritter sucht und einen Gott finden mag. In Essen findet er erst einmal keinen Gral, die heilige Dialyse-Maschinerie mit vielen Schläuchen. Er wird auch nicht vom Kreis der Ritter aufgenommen, die sich an der Gralsblut-Transfusion berauschen, also mordet er munter weiter auf seinem Weg. Schuld, Erlösung, alles weit weg. Nach der Pause findet er Kundry (Laura Kiehne) in Klingsors Reich. Sie hat einst König Amfortas verraten und die heilige Lanze, die den auf ewig verwundete. Ihre Auseinandersetzung um Liebe, Tod und Sühne wird mit Wagners Original-Gesangspartitur playback überblendet, so versteht man die Texte. Finale Schlacht, der Gralskult tritt ab. Parsifal in schwarz bleibt allein zurück auf dem nebeligen Planeten, der wohl einst bevölkert war. Ein spannender Abend.
Peter Ortmann