Der Teufel steckt im Großrechner
Als unspielbar wird Goethes »Faust II« oft beschrieben. In der »Tragödie zweiter Teil« prasseln viele Themen, Bilder und Handlungsstränge aufeinander, die Sprache ist wechselhaft in Form und Stil, teilweise bedeutungsschwer überfrachtet. Die verwirrende Vielfalt schreckt die meisten Bühnen ab, nicht so das LTT.
Die Handlung in der ersten Hälfte spielt sich im Innenleben eines Großrechners ab, der auch den kleinen Homunculus zur Welt bringt. Zwei Fernseher, auf deren Bildschirmen Videosequenzen flimmern, stehen verloren auf der Bühne herum. Und mit einem Beamer wird der globale Geldfluss wie bei einem Manager-Seminar an die Wand projiziert.
Die eindrucksvollsten Bilder entstehen in der zweiten Hälfte der Inszenierung. Und dafür ist kein großes Bühnenbild mehr nötig. Alles ist abgeräumt, der Großrechner wurde entsorgt, jetzt konzentriert sich alles auf die schwarze Leere auf der Bühne. Den Freiraum nutzen die Schauspieler weidlich aus und bringen deutlich mehr Kraft ins Spiel.
Auch die Schlussszene passt in dieses Bild. Der weiße Teufelsvorhang fällt und Faust kriecht siechend dahin, die berühmten Worte nuschelnd: »Zum Augenblicke dürft' ich sagen, verweile doch, du bist so schön!« Um ihn herum stehen Mephisto und seine satanischen Gehilfen und warten auf die Faust'sche Seele.
Doch da taucht Gretchen auf, die vollkommene Liebe, die wahre Gegenspielerin Mephistos, und sorgt für einen neuen Schluss. Für dieses Gretchen, das in dieser Form im Originaltext gar nicht vorkommt, hat das LTT die ungarische Sopranistin Edit Faludi engagiert. Sie steht für die anmutigsten Szenen in dieser Inszenierung. Mit ihrer glockenreinen Gesangsstimme zaubert sie immer wieder zwischen das wilde Spiel Augenblicke der Besinnung, die für einen kurzen Moment die Reinheit der wahren Liebe in den Mittelpunkt stellen.
Sehr gut passt auch Udo Rau in die Mephisto-Rolle. Er wirkt kühl und berechnend. Mit schneidender Stimme spielt er einen modernen Teufel, der problemlos und global über Leichen geht.