Die Welt aus Frankensteins Perspektive
Mit dem optimierten Menschen beschäftigt sich das Essener Grillo-Theater in dieser Saison. Zum Auftakt gab es am Wochenende "Frankenstein". Nick Dear hat den Schauerroman von Mary Shelley bearbeitet und Gustav Rueb die deutschsprachige Erstaufführung spannend inszeniert.
Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive des unter Einsamkeit leidenden Geschöpfes - und das spielt Axel Holst grandios. Fast drei Stunden lang folgt das Publikum gebannt seinem Spiel, seiner verzweifelten Suche nach Zugehörigkeit. Während sich das vermeintliche Monster immer mehr zum Menschen wandelt, macht sein Schöpfer Frankenstein (Thomas Meczele) die gegenteilige Entwicklung durch.
Überdimensionierte Pappmaschee-Köpfe
Baby-Monster mit überdimensionierten Pappmaschee-Köpfen bauen in einem mit Schaum gefüllten Glaskasten vor der Bühne mit Akkuschrauber und Hammer an sich rum. Die Bühne von Daniel Roskamp dominiert eine Art Leichenkühlhaus mit gläserner Wand und aus einer dieser Klappen fällt Franksteins Kreatur und beginnt seinen Leidensweg, seine Menschwerdung. Die Orte dieser Wanderung markieren nur ein paar Requisiten. Aufgebrochen wird die düstere Atmosphäre nur selten. Da klingt die helle Stimme von Janina Sachau, die als Frankensteins kleiner Bruder im Matrosenanzug (Kostüme Dorothee Joisten) mit einem Fahrrad ihre Kreise dreht, wie ein Fremdkörper.
Frankensteins Menschenbau
Eine effektvolle Szene macht Regisseur Rueb aus Frankensteins Menschenbau: Ein comic-mäßiges Schattenspiel zu Techno-Klängen - hinter einem bunt beleuchteten Vorhang hantiert der Wissenschaftler mit Kettensäge und anderem Werkzeug. Auch die wenigen Momente der Vertrautheit schlagen in Gewalt um.
So sitzen das Biest und Frankensteins Braut (Silvia Weiskopf) plaudernd im riesigen Hochzeits-Himmelbett, bevor er sie vergewaltigt und ihr das Genick bricht. Ein vielversprechender Saisonauftakt - und dafür gab es minutenlangen Applaus.